Christoph Kuhn, so lese ich gerade, stolpert über das schwindende „ja“. „Genau“, „okay“ oder andere Formulierungen werden stattdessen als Antwort verwendet. Vielleicht, weil das simple „ja“ zu spießig ist, argwöhnt er. Mag sein.
In der gleichen Kolumne stellt er auch fest, dass auf „Verzeihung!“ immer seltener mit „Bitte.“ geantwortet wird. Stattdessen wird „Dafür nicht.“ oder „Kein Problem.“ oder „Nichts passiert.“ gesagt.
Nun stimmt es, dass „genau“ eigentlich etwas anderes als „ja“ bedeutet und in diesem Sinne eine falsche Ersetzung ist. Bei der Antwort auf „Verzeihung!“ – so schon eine Abkürzung von „Bitte verzeihen Sie (mir)!“ – ist es aber tatsächlich ein Unterschied, ob man die Bitte gewährt oder ob man kundtut, dass man keinen Grund dafür sieht, dass der andere sich entschuldigen müsste.
Allerdings – und das ist wohl das eigentliche „Problem“, das Kuhn mit diesen Ersetzungen hat – benutzen die allerwenigsten Leute diese Alternativen im Bewusstsein der sich dadurch ändernden Aussage. So etwas passiert im Alltag oft. Ein gewisser Herdentrieb macht sich da bemerkbar: Man präsentiert sich als zugehörig und (in Sachen Umgangsformen) gut informiert. Das ist nachvollziehbar.
Nur: Je weniger Leute mittrotten, desto stabiler bleibt die Sprache, desto weniger gerät sie in Gefahr, ihre Funktionsfähigkeit an Modetrends zu verlieren. Sicher: Am ersetzten „ja“ oder „bitte“ oder anderen Einzelerscheinungen wird sie nicht gleich zerbrechen – in der Summe aber entwickeln solche anscheinenden Modetrends durchaus eine merkbare Wirkung.
Übrigens: Christof Kuhns Kolumnen zur Alltags- und Mediensprache sollen ab November als Buch im WartburgVerlag Weimar (https://www.wartburgverlag.net/) erhältlich sein. Hab ich gelesen.